Dies ist ein Gastbeitag von Vera Lanz zu meiner Blogparade „Vorfreude statt Vorsorge – meine selbstverantwortete Schwangerschaft“. Herzlichen Dank fürs mitmachen Vera und alles Gute für die bevorstehende Geburt!

Vera Lanz- Vorfreude statt Vorsorge

Ich heiße Vera, bin 35 Jahre alt und in der 40. Woche mit meinem dritten Kind schwanger. Mein Erstgeborener, Felix, ist 9 Jahre alt. Der Jüngste, Jan, ist zwei. Bei beiden habe ich fast alles gemacht was der Vorsorgekatalog hergibt – das erste Mal weil man es „eben so macht“, das zweite Mal weil ich zum Anfang der Schwangerschaft tatsächlich keine Alternativen gekannt habe.

Dieses Mal habe ich komplett auf die ärztliche Vorsorge verzichtet.

Positive Schwangerschaft, traumatische Geburt

Ich war 25 als ich zum ersten Mal (ungeplant) schwanger wurde, absolut unvorbereitet aber sehr positiv eingestellt. Die Schwangerschaft war toll, ich hatte keinen einzigen Fehltag auf der Arbeit. Die Besuche beim Frauenarzt verliefen unauffällig. Ich habe allen Untersuchungen zugestimmt, auch der Messung der Nackenfalte (der Glukosetest wurde damals noch nicht gemacht). Habe mich auf die Ultraschalltermine ebenso gefreut wie auf die CTG´s. Es gab keinen Grund daran zu zweifeln, dass das der einzig richtige Weg durch eine Schwangerschaft sein könnte.

Die Geburt ließ mich allerdings glauben, nicht zum Kinderkriegen geboren zu sein. Die Wehen nicht wirksam genug, der Körper zu schwach um zu pressen. Ich war unglaublich erschöpft, habe viel Blut verloren. Trotz allem ist es mir gelungen meinen Sohn „normal“ zu gebären. Dennoch habe ich mich für meine Hilflosigkeit geschämt und wunderte mich wie andere Frauen es schafften direkt nach der Geburt wieder so fit zu sein und sich selbst um ihre Babys kümmern zu können Das hat mich so traumatisiert, dass ich dachte nie wieder Kinder bekommen zu wollen.

Zweifel an Vorsorgeuntersuchungen

Aber dann lernte ich meinen Mann kennen, wir zogen zusammen, heirateten, ich wurde zum zweiten Mal schwanger – ein Wunschkind! Und wieder ging ich zur Vorsorge zu einem Frauenarzt. Parallel dazu habe ich einige Bücher gelesen: „Die Hebammensprechstunde“, „Geburt und Stillen“ und „Alleingeburt“. Danach wusste ich, warum bei meiner ersten Geburt vieles so schief gelaufen ist und fasste wieder Vertrauen in meinen Körper. An der Vorsorge jedoch habe ich nicht gezweifelt. Für mich gingen Vorsorge und Geburt Hand in Hand: Wenn bei der Vorsorge alle Untersuchungen und Tests gut ausfallen dann kann die Geburt nur gut verlaufen, oder? Nach und nach habe ich jedoch die Untersuchungen in Frage gestellt. Brauche ich wirklich den Glukosetest, obwohl ich nicht in die Risikogruppe falle und dieser Test während meiner ersten Schwangerschaft keine Routine war? Was bringen die Dauer-CTG`s wenn das Baby sich ständig bewegt und das Gerät alle 10-15 Minuten Alarm schlägt weil die Herztöne plötzlich weg sind? Wozu jedes Mal Blut abnehmen?

Was mich aber vor allem aus der Fassung gebracht hat waren die vaginalen Untersuchungen – nicht die „normalen“, sondern die, die mein Arzt gemacht hat als ich über den errechneten Termin ging. Um die Geburt herbeizuführen hat er versucht den Muttermund mit seinen Fingern aufzuschieben, ohne mich vorher darüber zu informieren. Als ich vor Schmerz zusammenzuckte, meinte er nur ich soll mich schon mal daran gewöhnen, unter der Geburt sind die Schmerzen ja wesentlich schlimmer. Also ließ ich es über mich ergehen.

So ging ich zu meiner zweiten Geburt ins Krankenhaus: volle 13 Tage über den ET aber immerhin mit einem tadellos geführten Mutterpass und einer komplikationslosen Schwangerschaft.

Entscheidung für selbstverantwortete Schwangerschaft und Geburt

Ich werde nicht weiter auf meine zweite Geburt eingehen. Mein Sohn kam gesund zur Welt und das ist doch das, was zählt, sagt man. Die zweite positive Sache, die ich nach dieser Geburt mit nach Hause nahm, war das Versprechen meines Mannes mich nie wieder zum Entbinden in ein Krankenhaus zu fahren. Egal wie fremd ihm der Gedanke an eine Hausgeburt vorher erschien, jetzt stand er 100%ig hinter mir. Damit war ebenfalls klar, dass ich während der nächsten Schwangerschaft keine Frauenarztpraxis mehr von innen sehen will. Ich habe doch alles „richtig“ gemacht, bin zu jeder Untersuchung gegangen und dennoch zählte es am Ende nicht. Warum soll ich also meine Zeit im Wartezimmer verschwenden auf Untersuchungen zu warten die ich eh für sinnlos halte?

Wem will ich damit was beweisen? Weiß ich denn nicht selbst was für mich und mein Baby gut ist? Und warum soll eine Hebamme nicht das Gleiche machen können wie ein Arzt, wenn nicht sogar besser?

 

Und so startete ich ganz entspannt meine dritte Schwangerschaft. Es gab weder Druck noch Vorwürfe wenn ich etwas nicht gemacht haben wollte.

Ich genieße die Gespräche mit meiner Hebamme. Ich mag es, mit welcher Vorsicht mein Bauch abgetastet wird. Die positive Atmosphäre, die sie vermittelt und die Vorfreude, die sie mit mir teilt, sind unbezahlbar! Und ich fühle mich endlich ernst genommen. Wir sind nicht immer einer Meinung: z.B. hätte sie mich gerne zu wenigstens einem Ultraschalltermin geschickt um den Plazentasitz zu bestimmen. Ich habe abgelehnt, und sie hat es akzeptiert, einfach so. Es gab keinen Glukosetest und auch keinen Abstrich auf Streptokokken.

Während der gesamten Schwangerschaft wurde mir nur zwei Mal das Blut abgenommen: Das zweite Mal auf meinen eigenen Wunsch. Ansonsten wurde nur der Urintest regelmäßig durchgeführt sowie das Abtasten und Vermessen vom Bauch. Die Herztöne wurden nie länger als eine Minute abgehört. Das ist alles was ich an Vorsorge brauche. Natürlich wissen nicht, ob wir uns auf ein Mädchen oder einen Jungen freuen. Wir wissen auch nicht, ob das Baby gesund oder z.B. mit dem Down Syndrom zur Welt kommt, aber wir sind bereit es so anzunehmen wie es ist.

Mein Baby wächst und bewegt sich. Es hat Schluckauf, es strampelt, es beschwert sich wenn ich auf der falschen Seite liege, es hält plötzlich mit den Bewegungen inne sobald jemand anders als ich seine Hand auf meinen Bauch legt. Ich kann den Po unterhalb meiner Rippen ertasten und die kleinen Füße. Ich kann ertasten auf welcher Seite sich der Rücken befindet. Ich spüre die Bewegung der Hände. Ich weiß, dass es mit dem Köpfchen bereits seit 10 Wochen unten liegt, auch wenn noch nicht fest im Becken. Das einzige was ich nicht kann – weil mir das mit einem großen Bauch anatomisch einfach nicht möglich ist – ist nach dem Muttermund zu tasten. Und darum habe ich meine Hebamme bei der letzten Vorsorge darum gebeten. Es war die erste vaginale Untersuchung in 39 Schwangerschaftswochen.

Was mein Umfeld dazu sagt

Mein Umfeld reagiert eher verhalten, wenn ich davon erzähle, dass wir noch nicht wissen welches Geschlecht das Baby hat weil noch gar kein Ultraschall gemacht wurde. Offene Kritik habe ich bisher nicht erlebt, versteckte schon öfter. Und auch viele aus meiner Familie machen sich Sorgen und finden es gefährlich, dass ich bei keinem richtigen Arzt bin. Mein Mann jedoch vertraut mir in jeder Hinsicht – alleine schon aus dem Grund weil er weiß, wie viel ich in den letzten Jahren über dieses Thema gelesen habe. Die Hausgeburt ist ihm nicht ganz geheuer, das gibt er zu. Dennoch ist er definitiv dafür. Es gibt Freunde, die aufrichtig begeistert sind, aber auch welche, denen es eigentlich egal ist weil sie selbst noch keine Kinder haben und sich auch nie mit dem Thema beschäftigt haben.

Eine Bekannte war total entsetzt als sie erfuhr, dass eine Blutabnahme bei mir zu Hause durchgeführt wurde: „Was, auf deiner Couch?! Das kann man doch so nicht machen, das muss in einer richtigen Arztpraxis geschehen!“. Was ist denn der Unterschied zwischen meinem Wohnzimmer und einer Arztpraxis wenn es darum geht Blut abzunehmen? Ist ja nicht so, dass eine OP auf meinem Esszimmertisch durchgeführt wurde. Aber viele setzen es wohl damit gleich und sprechen allen, die keinen weißen Kittel tragen und hinter einem Schreibtisch sitzen, jegliche Fachkompetenz ab.

Es ist glaube ich generell ein Problem, dass so simple und selbstverständliche Sachen wie eine Schwangerschaft als potenziell gefährlich angesehen werden. Natürlich gibt es Risiken. Nicht jede Schwangerschaft ist komplikationslos und schön und manchmal sterben Babys auch im Mutterleib. Und es ist toll, dass die Vorsorge in Deutschland so intensiv ist, dass diese Risiken auf ein Minimum reduziert werden können. Ich habe nur das Gefühl, dass die „normalen“ Schwangeren darunter leiden.

Fehlende Entscheidungsfreiheit für Schwangere

Hätten mir meine Frauenärzte die Untersuchungen zur Wahl angeboten, wäre ich wohl weiterhin zur ärztlichen Vorsorge gegangen. Aber es war leider eine entweder-alles-oder-nichts Geschichte. Ich wurde nie gefragt ob ich das eine oder andere möchte, es wurde einfach angekündigt und gemacht.

Aber wie wäre es, wenn Frauen am Anfang der Schwangerschaft in einem Beratungsgespräch alle Untersuchungen vorgestellt werden würden, die im Laufe der 40 Wochen anfallen? Und dann dürfte man frei wählen, ob man nun den Ultraschall, das Dauer-CTG, den Glukosetest, etc. machen möchte oder nicht. Und zwar ohne, dass einem gleich Verantwortungslosigkeit vorgeworfen oder man der Arztpraxis verwiesen wird. Vielleicht würden sich dann mehr Frauen mit dem Thema Vorsorge auseinandersetzen.

Aber solange die Untersuchungen als ein „Muss“ verkauft werden und von Ärzten Sätze wie „Das kann ich aber nicht verantworten!“ kommen, halten weiterhin die meisten Frauen eine Schwangerschaft für etwas gefährliches und sorgebedürftiges.

Vorfreude statt Vorsorge
Da mich das Thema nicht mehr losgelassen hat, ist inzwischen ein Buch daraus geworden.
„Dieses Mal habe ich komplett auf die ärztliche Vorsorge verzichtet.“
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Ein Kommentar zu „„Dieses Mal habe ich komplett auf die ärztliche Vorsorge verzichtet.“

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