In den letzten Jahren hatte ich das Glück, eine ganz wundervolle Familie aus unserem Ort besser kennenzulernen. Daraus hat sich eine richtig schöne Freundschaft zwischen uns Mamas, aber auch zwischen unseren Kindern entwickelt. So bekam ich mit, wie die erste Kindergarteneingewöhnung ihres Sohnes verlief, welche Zweifel daraus entstanden und welche Entscheidungen getroffen wurden. Immer wieder tauschten wir uns bei unseren Treffen über ihren Weg aus und reflektierten gemeinsam unsere Erfahrungen.

Und nun, ein gutes Jahr später, habe ich sie gebeten, einen Teil ihrer Geschichte für euch aufzuschreiben, weil ich sie so wertvoll finde, dass ich sie unbedingt hier auf dem Blog mit euch teilen wollte! Zum Glück hat Susanne zugestimmt und dafür bin ich sehr dankbar. 🙂

Möge dieser Bericht zahlreiche Familien darin bestärken, auf ihr Herz zu hören, ihr Kind achtsam zu begleiten und ihren Lebensweg im ganz eigenen Rhythmus zu gehen.

Kindergarten oder kindergartenfrei?

Gastartikel

SusanneHallo, ich bin Susanne. Ich lebe mit meinem Mann, unserem vierjährigen Sohn und unserem Hund in Wilhelmsfeld im Odenwald. Ich liebe meinen Naturgarten und ausgedehnte Streifzüge durch Wald und Wiesen. Gerne sammle und verarbeite ich auch (Wild)kräuter und Erzeugnisse aus dem eigenen Garten. Außerdem liebe ich Folk Musik und spiele keltische Harfe.

Unsere Ideale und die Realität

Was braucht unser Kind eigentlich, um gesund und glücklich aufwachsen zu können? Wie können wir es dabei unterstützen, sein inne liegendes Potenzial zu entfalten?
Diese und ähnliche Fragen haben wir uns, so wie wahrscheinlich alle Eltern, bereits während der Schwangerschaft gestellt.

Wir haben viel gelesen, mit anderen Eltern gesprochen und konnten so auf diese Weise vorab viele für uns grundlegende Entscheidungen treffen. Schnell war uns beispielsweise klar, dass wir unseren Sohn niemals schreien lassen wollten und dass er so lange wie möglich, in unserer Nähe schlafen darf. Er wurde gepuckt, viel getragen und schläft noch heute (mit 4,5 Jahren) im Familienbett.

Nähe und Geborgenheit und eine gute Bindung, in der wir auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, war uns immer sehr wichtig.

Wurden wir unserem Ideal immer gerecht?

Natürlich nicht!

Denn gerade in herausfordernden Zeiten, fällt man leider zeitweise leicht in irgendwelche alten Muster zurück. Doch so wie in jeder anderen Beziehung auch, gehört Selbstreflektion und Arbeit an den eigenen Verhaltensweisen eben dazu.

Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir Familien haben, die uns, so wie es die räumliche Distanz zulässt, immer bestmöglich unterstützt haben. Doch schon bald stellte unser Umfeld fest, dass wir ja „alles anders“ machen würden. Zumindest anders als die vorausgegangene Generation.

In Zeiten, in denen Informationen nicht so einfach und schnell per Knopfdruck abrufbar sind, gab es in vielen Bereichen eben häufig nur den einen Weg, den man von seinen Eltern gelernt hat.
Dass wir beispielsweise unserem Sohn keinen Brei, sondern ab der Beikostreife feste Nahrung zufütterten, stieß auf größere Irritationen.

Teilweise haben sich manche Familienmitglieder sogar persönlich angegriffen gefühlt, weil wir einen so unterschiedlichen Weg eingeschlagen haben. Sie haben es als Kritik an ihrem eigenen Weg verstanden. Vielleicht habt ihr das ja auch schon in eurer Familie erlebt?

Unabhängig davon, wie unsere Familien darüber dachten, haben wir unsere Entscheidungen immer wieder neu bewerten (müssen). Das einfache Rezept für uns lautete: Funktioniert es und geht es unserem Sohn und der restlichen Familie damit gut? Ja, dann war die Entscheidung richtig. Nein, dann müssen wir etwas anderes ausprobieren. Nicht alles, was wir als Ideal in unserem Kopf hatten, hat sich in der Realität als praktikabel erwiesen oder zu uns (zu diesem Zeitpunkt) gepasst.

Über ein paar dieser Entscheidungen möchte ich euch heute in diesem Artikel berichten.

Mit drei Jahren in den Waldkindergarten?

Nachdem wir unseren Sohn in den ersten drei Jahren selbst betreut haben, waren wir uns einig, dass er mit 3 Jahren den Waldkindergarten besuchen sollte. Auf der einen Seite habe ich mich im Vorfeld darauf gefreut, dass mein Sohn neue Erfahrungen im Kindergarten sammeln darf. Natürlich wusste ich, wie wichtig der regelmäßige Kontakt, und noch viel mehr die konstanten Beziehungen zu Kindern unterschiedlichen Alters sind. Allerdings fühlte sich der nahende Starttermin der Eingewöhnung auch wie ein Damokles-Schwert an, das über uns zu schweben schien.

Wir haben die ersten drei Kitafrei-Jahre in vollen Zügen genossen. Waren fast jeden Tag mehrere Stunden im Wald unterwegs: Wir sind geklettert, waren in einer Waldspielgruppe, haben Tipis und Wichtelhäuser gebaut, Landart-Bilder mit Naturmaterialien gelegt, Geschichten beim Picknick erzählt, Zapfen in Pfützen schwimmen lassen, wilde Monsterjagden quer durch den ganzen Wald gemacht usw.

Und das alles in unserem eigenen Tempo und jeden Tag, so wie es zu unserem Rhythmus und zur Tagesstimmung gepasst hat.

Ich hatte das Gefühl, dass sich mit dem Kindergarten nun alles ändern würde, und das hat mich auch ein wenig traurig gemacht.

Mit Kindern im Wald

Wir waren noch nicht so weit

Heute kann ich sagen: Ich war damals noch nicht so weit, ihn (auch nur für einen halben Tag) loszulassen. Auch für Mütter ist das Loslassen ein individueller Prozess und manche Menschen können sich sicherlich schon früher lösen, während andere, die vielleicht instinktiv spüren, dass auch ihr Kind noch nicht so weit ist, etwas länger brauchen.

Der Kindergarten hat sich angefühlt, wie ein schöner Schuh, der uns aber (noch) zu eng ist. Ich habe jedoch mein Mama-Bauchgefühl in diesem Moment so gut es ging ignoriert, weil ich meinem Sohn diese Chance nicht verwehren wollte. Man will schließlich auch keine „Glucke“ sein, die ihr Kind womöglich überbehütet und klammert. 😉

Unser Sohn hat zwar Interesse an anderen Kindern gezeigt, hat uns aber auch immer wieder klar signalisiert, dass er uns als emotionale Sicherheit in seiner Nähe braucht. Er trug zu diesem Zeitpunkt zudem noch Windeln und zeigte keinerlei Interesse daran, diese in naher Zukunft weglassen zu wollen. Das Wechseln der Windel durfte zeitweise auch nur ich erledigen, und noch nicht einmal sein Papa. Es ist eben etwas sehr Intimes, das viel Vertrauen voraussetzt.

Alles in allem kann ich heute sagen: Auch unser Sohn war zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht so weit!
Er wollte morgens nicht in den Kindergarten gehen und auch gutes Zureden und jegliche Motivationsversuche halfen da nicht! Das, was der Kindergarten für Ihn bereithielt, entsprach zu diesem Zeitpunkt noch nicht seinen Bedürfnissen.

Vielleicht waren es die vielen Kinder, die damit verbundene Geräuschkulisse, das Wissen, dass ein Kindergarten ein Ort ist, bei dem Eltern nur vorübergehend toleriert werden, der mangelnde Draht zum Bezugserzieher. Sicher auch der Umstand, dass der Bezugserzieher seinen Frust über die erfolglose Eingewöhnung, damit zum Ausdruck brachte, dass er mir (teilweise auch vor unserem Sohn) Druck machte: „so wird er sich nie eingewöhnen“, „Trennungsschmerz gehört dazu“, „das Kind muss man beim Verlassen des Kindergartens auch mal heulen lassen“ etc.

Es fühlte sich falsch an, Druck zu machen

Für mich hat es sich zu jedem Zeitpunkt falsch angefühlt, mein weinendes Kind in der Einrichtung zurückzulassen, damit ein Erzieher es trösten (und somit Bindung aufbauen kann). Das fühlte sich wie Verrat an meinem Kind an und ich habe es nicht übers Herz gebracht. Damit ein Kind sich Lösen kann, braucht es Vertrauen an konstante Bezugsperson(en) und ein sicheres Umfeld. Diese Art von erzwungenen Trennungsversuchen haben rein gar nichts damit zu tun.

Nach einigen wenigen Trennungsversuchen, die für meinen Sohn und mich emotional stark belastend waren, haben wir unseren Sohn erst einmal wieder für ein paar Tage zuhause behalten. Unser Sohn wollte das Kindergartengelände gar nicht mehr betreten und hat ganz klar gesagt, dass er nicht in den Kindergarten gehen möchte.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt furchtbare Zweifel. Ich habe mich gefragt, ob der Erzieher vielleicht doch recht hat und ich daran Schuld bin, dass er sich nicht von mir lösen kann. Was ist, wenn mein Sohn meine Unsicherheit oder Zweifel spürt?

Nach einer etwa 2-wöchigen Pause hat mein Mann die Eingewöhnung übernommen. Er wollte sich selbst ein Bild von der Situation machen. Da er nicht die erste Bezugsperson ist, weniger emotional als ich ist und unser Sohn ebenfalls bereit für einen zweiten Anlauf war, ging er sehr optimistisch an die Sache ran.

Es hat nur wenige Tage gedauert, bis auch er feststellte, dass unser Sohn im Kindergarten ein Schatten seiner selbst ist und dort nicht glücklich ist.
Daraufhin haben wir den Betreuungsvertrag gekündigt und ich habe mich mit dem Gedanken angefreundet, dass unser Sohn kindergartenfrei bleibt.

Schneemann

Unsere Entscheidung für kindergartenfrei

Kaum hatten wir uns für diesen Schritt entschieden, fühlten wir uns alle erleichtert. Wir waren endlich wieder frei, um unser Leben im eigenen Tempo selbst zu gestalten.

Das Thema Kindergarten war für mich erledigt und ich hätte mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen können, dass er jemals wieder einen Kindergarten besuchen würde.

Andererseits haben mich auch die typischen Gedanken geplagt, die wahrscheinlich die meisten Eltern von kitafrei-Kindern kennen: Wird er auch ohne Kindergarten und die Erfahrung in größeren Gruppen problemlos den Wechsel in die Grundschule schaffen? Welche Erfahrungen gehen ihm ohne Kindergarten verloren? Reichen ihm die bestehenden Kinderkontakte aus?

Dass unser Sohn als Einzelkind und unter „Pandemie-Bedingungen“ aufwächst hat unsere Situation natürlich auch nicht gerade einfacher gemacht…

Manchmal braucht es gar nicht viel für den nächsten Schritt

Ich hatte bereits erwähnt, dass unser Sohn zum Zeitpunkt der ersten Eingewöhnung (er war etwas über 3 Jahre alt) noch tagsüber und nachts eine Windel trug. Auch wenn wir immer mal wieder ein Buch zum Thema gelesen haben oder wir ihm das Töpfchen angeboten haben, wollten wir ihn niemals zu stark unter Druck setzen oder ihn zu irgendetwas drängen, wozu er noch nicht bereit ist. Auch das Einführen irgendwelcher Belohnungssysteme kam für uns nicht in Frage. Ich war mir sicher, dass er irgendwann den Schritt von selbst gehen würde.

Aber als sein vierter Geburtstag gekommen war, wurden wir jedoch doch zunehmend nervös. Obwohl wir offen mit dem Thema umgingen, ihn zusehen ließen, wenn wir selbst auf die Toilette gingen etc., zeigte er scheinbar überhaupt kein Interesse an diesem Thema. Er wollte nie auch nur für kurze nackt herumlaufen. Und wenn ich ihn dazu ermutigt habe, die Windel doch einfach mal wegzulassen, wurde er schnell wütend.

Ich habe ihn daraufhin mit dem Thema in Ruhe gelassen, aber es hat mich innerlich auch frustriert, dass es überhaupt nicht vorwärtszugehen schien.

Ein paar Monate nach seinem vierten Geburtstag habe ich Sophie von unserer Situation erzählt. Sie hat mich mit ihrer wunderbar unaufgeregten Art dazu inspiriert, nochmal das Gespräch mit unserem Sohn auf Augenhöhe zu suchen.

Und so habe ich mich am Abend in einem geeigneten Moment zu ihm gesetzt und mit ihm ganz ruhig über meine Gefühle gesprochen. Ich habe ihn gefragt, wie ich ihn am besten unterstützen kann und was er braucht, um den nächsten Schritt zu gehen.

Bei diesem ehrlichen und offenen Gespräch kam heraus, dass er eigentlich gerne aufs Töpfchen gehen möchte, aber Angst davor hat, auf die Windel zu verzichten. Er wollte nicht das Gefühl haben, dass ihm etwas weggenommen wird und hatte Angst davor, dass er in die Hose machen könnte.

Es ist mir in diesem Moment wie Schuppen von den Augen gefallen und mir wurde sofort klar, weshalb er vorher nie nackt herumlaufen wollte.

Ich habe ihm daraufhin angeboten, dass er aufs Töpfchen gehen kann, aber die Windel, solange er möchte, noch behalten darf. Endlich hatte ich verstanden, dass er diese zusätzliche Sicherheit einfach noch brauchte.

Und so kam es, dass er auf einen Schlag innerhalb nur weniger Tage tagsüber und nachts trocken war. Und ein paar Wochen später hat er von sich aus ganz stolz seine Windel gegen eine Unterhose eingetauscht. Die ganze Familie war stolz und glücklich über diesen großartigen neuen Schritt!

Unser Sohn wurde immer selbstständiger

Wir hatten in dieser Zeit ein wunderbares Netzwerk aus anderen Familien, die wir regelmäßig getroffen und die uns auf unserm Weg unterstützt haben. Für diese Menschen bin ich nach wie vor sehr dankbar!

Kurz nachdem unser Sohn trocken wurde, hat sich auch sein Verhalten zunehmend verändert. Er hat ein neues und starkes Autonomiebestreben gezeigt.

Er wollte so oft wie möglich andere Kinder sehen und mit diesen nach Möglichkeit (ohne permanente Beaufsichtigung durch seine beiden Eltern!!) spielen. Sätze, wie „Mama, geh weg!“, „Mama, wir gehen schon mal vor“ oder auch das Türe schließen bei Kinderbesuch hat uns gezeigt, dass nun eine andere Ära angebrochen war.

Es war für unseren Sohn nun nicht mehr genug, einfach „nur“ mit Mama in den Wald zu gehen. Er wirkte an manchen Tagen zunehmend gelangweilt und hat meine Angebote (spielen, basteln, singen…) kaum noch angenommen.

Auch mein Energielevel befand sich zu diesem Zeitpunkt auf einem stetigen Sinkflug. Frühere Ausflüge in die Natur und gemeinsame Projekte haben mir immer viel Kraft gegeben. Das Gefühl, sich anzustrengen, Angebote zu machen, aber die eigenen Bedürfnisse UND die des Kindes nicht mehr stillen zu können, haben mich hingegen ausgelaugt.

Naturspielgruppe

Die eindrucksvollste Erinnerung war der Besuch einer Naturgruppe. Eine Naturpädagogin hat den Kindern in jeder Woche ein anderes Thema spielerisch nähergebracht (z.B. Frösche, Frühblüher etc.). Während die anderen Kinder (die meisten waren etwas jünger) während den Erzählungen der Gruppenleiterin bei Ihren Eltern stehen blieben und auch mal etwas länger zuhören konnten, wollte unser Sohn ständig nur eigene Wege gehen.

Er ist herumgerannt, hat mit Sand geworfen oder Stöcke in ausgerechnet die Teiche werfen wollen, in denen die Kinder Frösche oder Molche beobachten wollten. Kein Reden und Bitten (oder Ermahnen :() hat geholfen und als er sich sogar in gefährliche Situationen gebracht hat (hinter Absperrungen geklettert ist) und für mich nicht mehr ansprechbar war, habe ich erkannt, dass dies gerade nicht das richtige Format für uns ist.

Durch sein starkes Autonomiebedürfnis und allgemein zu wenig Auslastung, hat diese eigentlich schöne Gruppe für uns einfach gerade nicht gepasst. Auch unser Sohn hat klar gesagt, dass er lieber allein mit den Kindern spielen und (so hart es für uns klingen mag) eben gerade nicht in meiner Nähe sein möchte. Da dies in dieser Gruppe so nicht möglich war, haben wir ihn daher nach nur wenigen Stunden wieder abgemeldet.

Und plötzlich stand die ganze Familie dem Thema Kindergarten wieder offener gegenüber. Ohne Druck oder Beeinflussung von außen war es auf natürliche Weise einfach wieder in unseren Fokus gerückt. Der Kindergarten schien nun genau der Ort zu sein, wo seine aktuellen Bedürfnisse am besten bedient werden können.

Der zweite Start im Kindergarten, ein Jahr später

Wir haben glücklicherweise schnell wieder einen Platz im Waldkindergarten (anderer Ort, andere Gruppe, andere Erzieher) bekommen und haben vor einigen Wochen mit der Eingewöhnung gestartet.

Es ist ein wunderschönes Wiesengrundstück mit Fernblick und Schafsweide nebenan. Mit einem Bauwagen und empathischen Erziehern.

Seine Bezugserzieherin und der Leiter des Kindergartens haben uns im Vorfeld sogar zu Hause besucht. Währen der Leiter ein schönes und vertrauensvolles Gespräch mit uns Eltern geführt hat, hat die Bezugserzieherin etwa 2 Stunden ausschließlich mit unserem Sohn verbracht. Sie hat sich von ihm sein Zimmer und seine Spielsachen zeigen lassen, hat ihm vorgelesen und ihm zugehört.

Der erste Kontakt mit seinen Erziehern kam also nicht auf einem fremden Gelände mit vielen anderen fremden Menschen in einer ungewohnten Situation zustande. Nein, diesmal war es so, als würden uns einfach zwei Freunde zu Hause besuchen. Wir haben anschließend noch Muffins gegessen und hatten alle ein gutes Gefühl.

Jetzt waren wir wirklich bereit

Abgesehen von den veränderten Startbedingungen, schien mein Sohn nun endlich voll und ganz bereit für diesen Schritt zu sein. Er geht seit Tag 1 nun voller Freude in den Kindergarten.

Die Eingewöhnung verlief ohne eine einzige Träne, ohne Druck, Zwang oder Vorwürfe seitens der Erzieher. Die „Trennungsversuche“ gingen sogar von unserem Sohn aus, der plötzlich mit der Gruppe fortging und sagte „bleib ruhig hier, wir kommen wieder“.

Bereits nach wenigen Tagen wollten wir ihn zur verabredeten Zeit abholen, als ein Erzieher uns mitteilte, dass sich unser Sohn im Bauwagen verbarrikadiert hat, weil er noch ein bisschen länger bleiben wollte.
Morgens steht er freudestrahlend und gut gelaunt auf und nachmittags nach dem Kindergarten wirkt er ausgeglichen und zufrieden.

Auch mir fällt die Trennung nun kein bisschen mehr schwer! Ich habe wieder etwas mehr Zeit zum Durchatmen, Homeoffice ohne erschwerte Bedingungen und für eigene Projekte. Ich bin erleichtert, weil ich weiß, dass mein Sohn einen wunderbaren Tag mit vielen lieben Menschen in der Natur verbringt.

Es fühlt sich nun richtig und stimmig an und ich empfinde den Kindergarten nicht mehr als Damokles-Schwert, sondern als Unterstützung und als Teil „unseres Dorfes“.

Wenn unser Sohn am frühen Nachmittag nach Hause kommt, habe ich alles mir wichtige bereits erledigt und kann ihm meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, was unsere gemeinsamen Zeit eine ganz neue Qualität gibt.

Waldkindergarten

Was ich für mich aus dieser Entwicklung als Erkenntnis gewonnen habe

Alles in der Natur unterliegt einem eigenen Rhythmus und für alles gibt es die richtige Zeit.

Ich bin eine leidenschaftliche Gärtnerin und liebe es, wie es zu jeder Zeit im Jahr bestimmte Entwicklungen zu beobachten gibt. Man kann diese Entwicklungen durch bestimmte Faktoren zwar begünstigen (richtiger Standort der Pflanze, gutes Substrat, Dünger etc.), aber wie heißt es so schön: „Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“.

Und genau wie jedes Pflänzchen unterschiedlich ist und seine ganz eigenen Ansprüche hat, so sind eben auch wir Menschen ganz verschieden. Beim Gärtnern hilft mir stets ein achtsames Auge, um zu erkennen, was die Pflanze zu diesem Zeitpunkt braucht, um optimal wachsen zu können: Hat meine Pflanze genügend Wasser oder fehlen ihr Nährstoffe? Nehmen ihr andere Pflanzen das Licht weg?

 

Und für mich ist genau diese Achtsamkeit auch der Schlüssel, der sich auf ganz viele anderen Aspekte des Lebens übertragen lässt. So auch die Elternschaft. Das Kind achtsam begleiten, genau hinsehen, welche Bedürfnisse gerade da sind, wo beispielsweise ein Mangel an Aufmerksamkeit, Zuwendung oder Entfaltungsmöglichklichkeiten besteht und dann die Lebensumstände nach Möglichkeit darauf abzustimmen.

Sicher ist es in der Realität und gerade bei einer größeren Familie nicht immer möglich alle Bedürfnisse gleichermaßen zu bedienen und leider spielen häufig auch finanzielle Notwendigkeiten eine entscheidende Rolle. Manchmal ist es schlichtweg nicht möglich, das Ideal zu leben. Wir als Eltern kennen auch alle diese Phasen, in denen man das Gefühl hat „auf dem Zahnfleisch zu laufen“ und für eine gewisse Zeit nur noch zu funktionieren.

Allerdings versuche ich mich immer wieder daran zu erinnern, mich nicht noch zusätzlich von gesellschaftlichen Konventionen, wie „das Kind muss doch in den Kindergarten, um Sozialkompetenzen zu erlernen“, „Was??? Ihr gebt eurem Baby keinen Brei?“ etc. verunsichern zu lassen.

Ich habe für mich entschieden, dass das einzige Kriterium für uns ist, ob es jetzt und zu diesem Zeitpunkt gut für uns ist oder nicht. Alles andere ist nebensächlich.

Und manchmal braucht es eben auch einfach nur etwas mehr Zeit oder ein ruhiges Gespräch, um alles zu verändern…

Kindergarten oder Kindergartenfrei? Wie ein Jahr mehr Zeit alles veränderte
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