Hast du dich durch deine Kinder auch zum Multitasking-Talent ausgebildet: Kochen mit Baby auf dem Rücken, nebenher die große Schwester unterhalten und wenn das Handy piept, kurz Nachrichten beantworten? Der ganz normale Mama-Wahn eben. Wir haben unseren Alltag scheinbar optimiert, machen zig Dinge gleichzeitig oder nebenher und gönnen uns nur selten eine Ruhepause. Dass das nicht lange gut geht, ist uns allen klar. Doch wie kommen wir da raus?
In diesem Artikel möchte ich dir erzählen, wie ich begann, mich mit Achtsamkeit zu beschäftigen und warum das meinen Alltag entspannter macht. Außerdem erhältst du ein paar praktische Achtsamkeitsübungen, die du direkt umsetzen kannst.

Achtsamkeit heißt bewusst agieren, statt automatisch reagieren.

Irgendwann in den letzten Jahren ist mir aufgefallen, dass ich ständig das Wort „kurz“ in meine Sätze eingebaut habe. „Ich geh mal kurz auf’s Klo.“ „Ich hol mir mal kurz einen Pullover.“ „Ich bring mal kurz die Wäsche in den Keller.“ und so weiter. Alle meine Aktionen waren darauf angelegt, möglichst schnell erledigt zu sein. Sicherlich kam das auch daher, dass ich möglichst schnell wieder bei meinen Kindern sein wollte, uns sie dies auch einforderten (auch wenn mein Mann natürlich so lange nach ihnen geschaut hat, wie ich weg war). Trotzdem ist dieses „kurz“ ein Wort, das in meinen Gedanken eigentlich Stress oder Hektik auslöst. Ich renne ja nicht in den Keller, um die Wäsche runterzubringen. Also dauert es einfach so lange, wie es dauert. Punkt. Es geht nicht schneller, wenn ich das Wort „kurz“ einbaue. Trotzdem passiert es mir immer noch ständig.

Der Mama-Alltag ist so vollgepackt mit Tätigkeiten, dass es schon ein Running Gag ist, wenn wir unter Müttern erzählen, wir konnten an diesem Morgen tatsächlich den noch warmen (!) Tee austrinken :-). Ich glaube Zeit für sich ist die wertvollste Ressource einer Mutter von kleinen Kindern (vielleicht direkt gefolgt von Schlaf!?).

Von der Gefahr, Zeit sparen zu wollen

Leider ist es ein Trugschluss zu denken, wenn wir uns nur möglichst bei allem beeilen, dann sparen wir Zeit. Denn was passiert denn eigentlich mit der gewonnenen Zeit? Wir füllen sie erneut mit anderen Dingen. Fast nie nutzen wir die gesparte Zeit dazu, uns auszuruhen. Was haben wir dann also davon? Noch mehr Stress?

Dabei ist die Sehnsucht nach Stille und Entschleunigung bei vielen Menschen groß. Auch bei mir.

So begann ich mich mit dem Thema Achtsamkeit zu beschäftigen.

Als ich mich ganz neu in Achtsamkeitsübungen eingelesen habe, stieß ich schnell auf das damit verbundene Thema Meditationen. Ich zweifelte nicht an deren Wirkung, aber für mich schienen sie im ersten Moment wie reine Zeitverschwendung. Wenn ich überlegte, schon allein 10 Minuten still dazusitzen– was hätte ich in dieser Zeit alles erledigen können?!

Irgendwo las ich dann folgenden Spruch:

„Wenn du dir eine Pause am wenigsten gönnen willst, hast du sie am nötigsten.“

…und ich merkte, wie viel Wahrheit darin steckt.

Doch diese Erkenntnis allein, änderte noch nichts. Es fällt mir trotzdem schwer, meine Multitasking-Gewohnheiten aufzugeben.

Ohne ständige Stimulation scheint uns das Leben heute oft langweilig. Weil wir es einfach gewohnt sind, dass ständig irgendetwas passieren muss. Warum nicht die Zeit beim Joggen nutzen und ein Podcast hören? Warum nicht am Frühstückstisch schon ein gutes Buch lesen? (ok, letzteres war jetzt ein eher unrealistisches Beispiel für uns Mütter, aber ihr wisst, was ich meine ;-))

Warum also nicht?

Wir wollen in immer weniger Zeit, immer mehr erreichen. Das ist eine Haltung, die früher oder später zum Burnout führt.

Darum nicht!

Durch Achtsamkeit können wir dem entgegenwirken.

Achtsamkeitsübungen senken den Stresspegel, fördern die Konzentrationsfähigkeit und entrümpeln unseren Kopf von unnötigem Gedankenwirrwarr. So werden wir langfristig ruhiger und gelassener im Alltag.

Aber was heißt das jetzt konkret – Achtsamkeit?

Achtsamkeit bedeutet in erster Linie, den Willen zu haben, an dir selbst zu arbeiten.

Das heißt nicht, dass du ab sofort eine Stunde täglich meditieren musst, um achtsamer zu werden. Es geht auch nicht darum, nur zu meditieren, wenn du im Stress bist oder dich schlecht fühlst, mit dem Ziel, dass es dir danach besser geht. Im Gegenteil: Es geht darum, jegliche Erwartungen loszulassen.

Grundpfeiler von Achtsamkeit und Meditation sind: Geduld, Loslassen, Akzeptanz und Vertrauen.

Durch Achtsamkeit lernen wir, bewusst zu agieren, statt automatisch zu reagieren. Wir bemerken das Aufkommen starker Gefühle sofort und nicht erst, wenn es schon zu spät ist. Wenn wir zum Beispiel an eine rote Ampel kommen und es eilig haben, können wir uns entweder aufregen oder wir können es lassen. Die Ampel wird dadurch nicht schneller grün.

Durch Entschleunigung können wir lernen, den aktuellen Moment bewusst zu erleben und anzunehmen. Unangenehme Gedanken und Gefühl können leichter losgelassen werden.

OK, und wie fange ich am besten damit an?

Gewisse Multitasking-Aktivitäten sind als Mama sicherlich nicht vermeidbar und bestimmt auch des öfteren von Vorteil. Aber erinnere dich im Alltag immer mal wieder bewusst daran, dich auf nur eine Sache zu konzentrieren. Wenn du isst, genieße nicht nur die ersten zwei leckeren Gabeln, sondern das komplette Essen. Höre deinem Kind bewusst zu, wenn es dir etwas erzählt, ohne nebenher über die Einkaufsliste nachzudenken. Und wenn du doch abgelenkt wirst, sieh es als Herausforderung. Es geht nicht darum, möglichst schnell wieder konzentriert zu sein, sondern dir klarzumachen, dass du ständig abgelenkt wirst und dich dann darüber zu freuen, dass du dich erneut dabei ertappt hast und nun mit der vollen Aufmerksamkeit zurückkehren kannst.

Wir können im Bezug auf Achtsamkeit viel von unseren Kindern lernen, wenn wir sie beobachten, wie sie ganz fasziniert von Kleinigkeiten sind und sich ganz konzentriert mit einer Sache beschäftigen, bevor sie sich der nächsten zuwenden. Außerdem gibt es sicherlich täglich Situationen, in denen wir uns in Geduld üben können, so zum Beispiel, wenn wir spazierengehen und unser Kind bei jeder Ameise Halt macht.

Drei praktische Achtsamkeitsübungen für den Alltag:

1. Achtsamkeitsübung zum Thema Akzeptanz/Annehmen

Es kostet uns im Alltag viel Energie uns über Dinge zu ärgern, die nicht in unserer Hand liegen. Daher ist es wichtig, sich im Annehmen zu üben. Einerseits das Akzeptieren von vergangenen Situationen, die wir nun mal nicht mehr rückgängig machen können, aber auch das Annehmen von Menschen oder Dingen in unserem Umfeld, die wir nicht ändern können.

Die Übung ist einfach: Suche dir in deiner Wohnung ein bis zwei Dinge aus, über die du dich jedes Mal aufregst, wenn du sie siehst, die du aber nicht ändern kannst. Sei es eine Macke in deinem Lieblingstisch, ein selbstgemaltes Bild mit einem Fleck o.ä. Klebe nun einen Zettel mit einem lachenden Gesicht an genau diese Stelle und nimm dir vor, jedes Mal, wenn dein Blick darauf fällt, zu lächeln und dir zu sagen: „So ist es halt.“ Beobachte, ob und wie sich deine Wahrnehmung nach einer Weile ändert und ob du lernst, Dinge besser anzunehmen.

2. Achtsamkeitsübung zum Thema Geduld

Wenn du merkst, dass du immer leicht ungeduldig wirst, könntest du dich folgender Herausforderung annehmen: Wenn du im Supermarkt bist und anschließend keinen wichtigen Termin hast, wähle an der Kasse mal bewusst nicht die kürzeste Schlange, sonder stell dich an einer längeren an. Wenn du eine Steigerung möchtest, lass noch jemand hinter dir mit einem vollen Einkaufswagen vor. (Und erfreue dich an seiner Dankbarkeit ;-)). Beobachte dich bewusst in dieser Situation. Wie fühlt es sich an? Sinn der Übung ist es, zu merken, dass wir häufig unnötigerweise so handeln, als wären wir in Eile, dabei sind wir es gar nicht.

3. Achtsamkeitsübung zum Thema Bewertungen

Achtsamkeitsübungen helfen uns, die Welt wahrzunehmen wie sie ist und nicht, wie wir sie uns vorstellen oder bewerten. Häufig löst unsere persönliche Wahrnehmung in uns Stress aus, der vermieden werden kann, wenn wir lernen, die Dinge oder unser Umfeld nicht mehr zu bewerten. Das ist nicht einfach, aber in kleinen Schritten können wir daran arbeiten. Der erste Schritt ist, einmal wahrzunehmen, wann und wo wir überall bewerten. Diese Übung kann im Alltag zum Beispiel im Bus oder in der Stadt gemacht werden. Beobachte die Menschen, denen du begegnest und nimm wahr, welche Bewertungen sich sofort in deine Gedanken einschleichen.

Im Bezug auf deine Kinder erlebst du sicher häufig Situationen, in denen du in Versuchung kommst, zu loben oder zu tadeln. Du kannst dich aber auch hier bewusst dazu entscheiden, zu beobachten oder zu beschreiben, statt zu bewerten. (Statt: „Toll, du hast ein schönes Bild gemalt.“ „Du hast eine Giraffe gemalt.“ o.ä.).

Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass es wichtig ist, nicht nur achtsam mit den Bedürfnissen deiner Kinder umzugehen, sondern vor allem auch deine eigenen Bedürfnisse im Blick zu haben. Denn nur wenn du selbst entspannt bist, kannst du auch entspannt mit deinen Kindern umgehen.

Ich hoffe, mein Einblick in das Thema Achtsamkeit hat dir gefallen.

Hier geht’s zum zweiten Teil der Serie: Mamasein zwischen Multitasking und Achtsamkeit – Teil 2: Loslassen

Jetzt würde mich interessieren: Hast du dich schon mit der Thematik Achtsamkeit beschäftigt? Welche Erfahrungen hast du im Alltag damit gemacht? Ich freue mich, dich in den Kommentaren zu lesen.

Die Übungen sind inspiriert aus dem Buch: Alois Burkhard (2015): Achtsamkeit. Entscheidung für einen neuen Weg. Schattauer GmbH. (Affiliate-Link) Ich kann das Buch als Einstieg in die Thematik sehr empfehlen. Einige Übungen werden vom Verlag auch als Audiodatei zum Download angeboten.

Mamasein zwischen Multitasking und Achtsamkeit – Teil 1
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7 Kommentare zu „Mamasein zwischen Multitasking und Achtsamkeit – Teil 1

  • 2017-01-04 um 09:38 Uhr
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    Liebe Sophie,
    danke für diesen inspirierenden Artikel.!

    Du hast so recht damit! Es ist so wichtig, das Leben bewusster zu genießen , anstatt immer möglichst viel zu schaffen… es fehlt uns viel zu oft an Gelassenheit !

    Meditierst du regelmäßig?

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    • 2017-01-09 um 21:36 Uhr
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      Liebe Yvonne, ich stehe noch ganz am Anfang mit dem Thema Meditation, bin aber gerade dabei herauszufinden ob und in welcher Form das was für mich ist. Daher versuche ich momentan mir mindestens einmal die Woche 10 Minuten Zeit dafür zu nehmen (und selbst das ist schwer!).
      Grüße Sophie

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  • 2017-01-04 um 12:54 Uhr
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    Wunderbarer Post! Es war sehr interessant zu lesen. Achtsamkeit ist etwas was mich seit letztem Jahr ein wenig beschäftigt. Damals hatte ich als Mama einen Burnout! Mir war nicht nur schnell wichtig, sondern noch schlimmer, auch noch perfekt. Ich freue mich auf deinen nächsten Post.
    LG
    Natalia

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    • 2017-01-09 um 21:43 Uhr
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      Liebe Natalia,
      schön, dass dir der Artikel gefällt. Ja Perfektionismus kann ganz schön anstrengend sein, vor allem wenn die gesteckten Ziele im Mama-Alltag einfach unmöglich zu erreichen sind. Das wichtige ist, zu erkennen, dass wir allein unser Bewusstsein ändern müssen, damit es uns besser geht. Aber auch das ist natürlich ein Lernprozess.
      Alles Gute für dich!
      Grüße Sophie

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  • 2017-02-03 um 13:33 Uhr
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    Hallo Sophie!

    Wunderbar dein Artikel! Beim ersten Absatz musste ich so lachen 😀 weil ich ganz genau das Gefühl und die Situation dazu gespürt habe! Kenne ich. Passiert mir auch immer wieder.

    Bis ich mal durchatme und mich fokussiere. Was ist (mir in diesem Augenblick) wirklich wichtig? Worum geht es gerade wirklich? Dann kommt meist erst mal das Telefon weg 😉 und ich sortiere mich. Eines nach dem anderen. Und so kommuniziere ich es auch meinen beiden vorher nicht warten könnenden jungen Begleitern – und plötzlich können sie doch warten. Weil ich mit ihnen wieder in Kontakt bin. Und mit mir selbst.

    … deshalb liebe ich Minimalismus: Es gibt weniger Dinge, über die ich mir Gedanken machen kann ;-D

    Danke für deine Inspirationen!
    Herzliche Grüße! Lucia

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